Die Eigelstein-Torburg –Festung, Gefängnis, Museum, Musikschule

Notizen zu einem Aspekt der Kölner Stadtgeschichte
aus der Festschrift zum 20jährigen Jubiläum der Offenen Jazz Haus Schule
Autorin: Birgit Gerdes

Die Eigelstein-Torburg ist ein herausragendes Beispiel mittelalterlicher Profanarchitektur. Zusammen mit dem Severinstor im Süden und dem Hahnentor im Westen der Stadt veranschaulicht sie noch heute die imposante Größe des mittelalterlichen Köln und seiner mächtigen Stadtmauer. An besondere Ereignisse der Kölner Stadtgeschichte erinnern eine Tafel aus der Zeit der Französischen Revolution, die 1891 angebrachte Steinfigur des Kölschen Boor am westlichen Torbogen und das 1915 installierte Wrack eines Rettungsbootes des Kreuzers »Cöln« in der Nische des Ostturms. Seit 1990 ist sie Heimstatt der Offenen Jazz Haus Schule.

Abb. 1: Eigelsteintorburg, Stadteite, 1531 (Anton Woensam von Worms – Standtansicht, Ausschnitt)

Ursache für den Bau der Torburg als Teil der Kölner Stadtbefestigung war die dritte und letzte mittelalterliche Stadterweiterung (um 1180-1260), die eine Verdoppelung der Stadtfläche auf rund 405ha mit sich brachte. Dabei wurden so bedeutende Stifte wie St. Severin und St. Gereon und das Benediktinerkloster St. Pantaleon »eingemeindet« und Köln dadurch zur größten Stadt des Deutschen Reiches. Der Bau der monumentalen Wehranlage begann 1179/80 zunächst mit der Errichtung eines Walls und eines Grabens.Im Anschluß daran entstand bis 1260 oberhalb des Walls die Stadtmauer mit ihren Torburgen. Die Eigelsteintorburg selbst wurde im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts errichtet. Nach seiner Fertigstellung zählte der halbkreisförmige Mauergürtel der Stadt mit über 7 km Länge und insgesamt 52 Türmen sowie 12 Torbogen zu den größten und monumentalsten Befestigungsanlagen Mitteleuropas. Der Verlauf der Stadtmauer ist noch heute im Stadtbild sichtbar. Als nördlichstes Haupttor schützte die Eigelstein-Torburg eine schon zur Römerzeit bestehende und für Köln äußerst wichtige Hauptverkehrsader: die parallel zum Rhein verlaufende, einstige römische Heerstraße nach Neuss und Xanten. (Abb. 1). Im Laufe ihrer 700-jährigen Geschichte wurde die Torburg immer wieder verstärkt und den jeweiligen Erfordernissen der Waffentechnik angepasst. So wird sie im 15. Jahrhundert – wie alle übrigen Torburgen auch – mit einem sogenannten Vorwerk versehen (Abb. 2); im Zuge des 30jährigen Krieges werden um 1632-1649 erste Bastionen vor der Torburg, Bayen und St. Severin angelegt. (Abb. 3)

Abb. 2:  Eigelsteintorburg,  Feldseite, 1571
(Merkator-Plan, Ausschnitt)
Abb. 3: Eigelsteintorburg, Feldseite, 1660–1665
(Finckenbaum-Zeichnung)

Als Köln Anfang des 19. Jahrhunderts von der französischen Revolutionsarmee besetzt wird, erhält die Torburg für kurze Zeit einen anderen Namen. Die 1812 angebrachte Inschrift »Porte de L’Aigle – Adlerpforte« (in der Durchfahrt/am Ostturm, schräg gegenüber dem heutigen Eingang) erinnert daran. Den neuen Namen leiteten die Besatzer aus einer alten Kölner Überlieferung ab. Danach geht der Straßenname »Eigelstein« auf das lat. Wort »aquila« (Adler) zurück, dem Wappentier der römischen Legionen. Das ist jedoch nicht eindeutig belegt. Sicher ist nur, daß die Torburg ihren Namen von der Straße ableitet, die sie im Norden abschließt.

Auf dem Wiener Kongress fällt das Rheinland 1815 an Preußen, Köln wird zur Festung ausgebaut. Dabei greift man massiv in die Bausubstanz der Torburg ein. Der Bau wird bombensicher gemacht, Balkenlagen verstärkt und die Mauern mit Kanonenlöchern versehen (1816-1826). Einige Jahrzehnte später macht die Industrialisierung und der damit verbundene rasante Anstieg der Bevölkerung eine erneute Stadterweiterung Kölns notwendig. Die Stadtmauer steht nach Ansicht der meisten Kölner dem weiteren wirtschaftlichen Aufschwung entgegen und soll deshalb verschwinden.

Abb. 4:  Eigelsteintorburg, Feldseite, vor 1892 (Foto: Rheinisches Bildarchiv)

Am 11.06.1881 beginnt der Abriss der »Großen Mauer«. Nur ein Zehntel der Befestigung wird die Abrisseuphorie überstehen, die nahezu die ganze Stadt ergriffen hat. Nach einer lebhaften Diskussion um die Frage, ob denn und wenn, welche Torburgen und Mauerreste erhalten bleiben sollen, entscheidet man sich auch für eine Restaurierung der Eigelstein-Torburg. Allerdings wird die im 17. Jahrhundert angelegte und in preußischer Zeit stark veränderte Bastion vor der Torburg 1882 beseitigt. (Abb. 4) Nachdem der Stadtrat 81.000 Mark bewilligt hat, beginnen 1889 Renovierung und Ausbau. Die Wiederherstellung des Stadttores nach Entwürfen des damaligen Stadtbaumeisters Josef Stübben wird 1892 beendet. (Abb. 5)

Abb. 5: Eigelsteintorburg, von Westen, 1938
(Foto: Stadtkonservator)

1891 wird anlässlich des Besuchs von Kaiser Wilhelm II. eine überlebensgroße Steinfigur des Kölner Bauern in eine Spitzbogenblende an der Stadtseite des westlichen Torturms eingestellt. Unterhalb der Figur kündet die Inschrift: HALT FASS DO KÖLSCH BOOR/BLIEV BEIM RICH/ET FALL SÖSS OV SOR (für»Immis«: Halte fest du kölscher Bauer, bleib’ beim Reich, in guten wie in schlechten Zeiten). Das 1885 vom Dombildhauer Christian Mohr geschaffene Original ist inzwischen durch einen 1980 aufgestellten, wetterfesten Abguss ersetzt worden und befindet sich seit 1986 in der Piazzetta des Historischen Rathauses. Vor dem Umzug dorthin stand es in der Kneipe »Der Kölsche Boor« am Eigelstein.

Die Steinfigur erinnert an die Schlacht von Worringen: am 5.7.1288 schlug die Kölner Bürgerschaft dank des tatkräftigen Einsatzes der Bergischen Bauern den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg und seine Verbündeten vernichtend. Der »Kölsche Boor« ist so Sinnbild für deren Stärke und Wehrhaftigkeit und zugleich Symbol für die damals für Köln errungene reichsstädtische Freiheit. Heute ist der »Kölsche Boor« Teil des Kölner Dreigestirns und eine der Hoheiten der »fünften Kölner Jahreszeit«, dem Karneval.

Seit 1915 ist das Wrack eines Rettungsbootes des Kreuzers »Cöln« an der Eigelstein-Torburg installiert – zunächst unter der Durchfahrt, ab 1926 stadtseitig in der Nische des östlichen Torturms (Abb.6). Es dient als Mahnmal für 379 Matrosen, die beim Untergang der »Cöln« am 28.8.1914 während einer Seeschlacht vor Helgoland starben. Noch heute gedenkt die Marinekameradschaft »Leuchtturm« an jedem 28. August der Toten.

Abb. 6:  Wrack eines Rettungsbootes  des Kreuzers »Cöln« im Ostturm

Über die Jahrhunderte wurde die Torburg als Festungsbau, Zollerhebungsstelle, Gerichtshaus und noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch als Gefängnis für Militärsträflinge genutzt. Nach ihrer Instandsetzung dient sie zunächst als Naturhistorisches Museum, ab 1898 präsentiert das Historische Museum der Stadt hier einen Teil seiner Sammlung. Den Zweiten Weltkrieg übersteht sie relativ unbeschadet. Es waren lediglich einige Risse in den Mauern instandzusetzen. Der zerstörte Wehrgang wird 1957 wiederhergestellt, der ebenfalls zerstörte Dachausstiegsturm 1975 originalgetreu nachgebaut. Mitte der 80er wurde auch der Westturm restauriert.

1958 wird das Kölnische Stadtmuseum im ehemaligen Zeughaus neu eröffnet, wo ausreichend Platz für dessen gesamte Sammlung ist, die bisher in der Torburg ausgestellten Stücke ziehen dorthin. Zwei Jahre später übernimmt das Kunstgewerbemuseum die Torburg. Zunächst nutzt es die Räume für Ausstellungszwecke, 1965 ziehen dann Verwaltung und Depot des Museums ein. 1989 wird das Kunstgewerbemuseums schließlich als »Museum für Angewandte Kunst« im ehemaligen Gebäude des Wallraf-Richartz-Museum neueröffnet. Zu dieser Zeit ist die Bausubstanz der Torburg bereits ernsthaft bedroht. Mitte der 80er Jahre wird zunächst der Westturm restauriert. Ab Herbst 1989 muss ein Gerüst die Passanten vor herabfallendem Mauerwerk schützen. Nach 6jährigem Tauziehen über Finanzierung und Nutzung der Eigelstein-Torburg, erhält die Offene Jazz Haus Schule, die dort seit 1990 provisorisch untergebracht ist, den Zuschlag. Im Sommer 1994 beginnt die Sanierung des Gebäudes, die mit der Eröffnung im Januar 1995 ihren Abschluss finden.

Abb. 7:  Eigelsteintorburg,  2000

Heute präsentiert sich die Eigelstein-Torburg als dreigeschossiges Doppelturmtor: Der quadratische, zweigeschossige Mittelbau mit Durchfahrt wird von zwei halbkreisförmig vorgelagerten Türmen flankiert. Sie sind stadtseitig im Untergeschoss in großen Nischen geöffnet. Die Mauern des unteren Geschosses sind aus Basalt und Tuffsteinfüllungen, die der oberen Geschosse aus Tuffstein mit Werkteilen aus Trachyt. Die Portale sind spitzbogig, feldseitig doppelt, stadtseitig einfach gestuft. Die Durchfahrt ist mit einem Kreuzrippengewölbe versehen. Im Gegensatz zu den feldseitig ins Mauerwerk eingefügten Schießscharten, weist die Stadtseite paarige Zwillingsöffnungen auf. Feldseitig erinnern der hölzerne, beide Türme miteinander verbindende Wehrgang oberhalb der Durchfahrt, das Fallgitter und die Schießscharten noch heute an die ursprüngliche Funktion der Torburg als Festungsbau. (Abb 7.)

Die Autorin Birgit Gerdes  ist Kunsthistorikerin und Stadtführerin.